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Der Paradigmenwechsel im Beschaffungsrecht
Das Buch von Mario Marti ist eine Auslegeordnung und eine praxisnahe Umsetzungshilfe.
Wieso hast Du dieses Buch geschrieben?Klassisch: Ich unterbreitete Bauenschweiz die Idee für das Buch – wie üblich wurde die Aufgabe dann dem Ideengeber übertragen. Aber Spass beiseite: Wir haben die Gesetzesrevision seit vielen Jahren sehr aktiv begleitet. Ich habe mich 2006 das erst Mal damit befasst. Daraus wächst das Bedürfnis, die gewonnenen Erfahrungen niederzuschreiben. Zudem ist mir immer wieder aufgefallen, dass etliche meiner Berufskollegen und -kolleginnen die Revision als wenig spektakulär abtun nach dem Motto „es bleibt alles beim Alten“. Das ärgerte mich, denn der Wille des Gesetzgebers zu einem echten Paradigmenwechsel – weg vom Preisdiktat, hin zu einem wahren Qualitätswettbewerb – ist glasklar. Das muss auch bei der Auslegung des neuen Gesetzes zum Ausdruck gebracht werden. Wir wollten deshalb, dass auch diese Position in die juristische Lehre einfliessen kann.
Was sind für Dich die wichtigsten Neuerungen im neuen Recht?Klarerweise die Nachhaltigkeit: Früher war die Wirtschaftlichkeit das Ziel des Beschaffungsrechts. Neu tritt daneben und auf gleicher Stufe die Nachhaltigkeit. Das schafft für die Vergabebehörden eine ganz neue Ausgangslage – der Fokus wird auf die Qualität der Leistung gelegt. Etliche weitere Neuerungen verdeutlichen diesen Paradigmenwechsel: Neue Zuschlagskriterien – neben der Nachhaltigkeit etwa die Lebenszykluskosten, der Innovationsgehalt, die Plausibilität des Angebots oder die Verlässlichkeit des Preises. Die Überprüfungspflicht für ungewöhnlich tiefe Angebote. Die Stärkung von qualitätsbezogenen Beschaffungsformen wie den Wettbewerb, den Studienauftrag oder den Dialog. Und natürlich die Zuschlagsformel: Künftig erfolgt der Zuschlag an das vorteilhaftest Angebot und nicht mehr an das wirtschaftlich günstigste Angebot.
Wo stehen wir heute bei der Umsetzung des neuen Rechts?Das Bundesrecht ist seit dem 1. Januar 2021 in Kraft. Auf der Stufe der Kantone dauert die Implementierung der neuen IVöB etwas länger, aber es ist sehr erfreulich zu sehen, welches Tempo viele Kantone bei der Inkraftsetzung an den Tag legen! Die Anwendung in der Praxis ist noch uneinheitlich, braucht aber auch seine Zeit. Es ist viel Wille zu erkennen bei den Vergabebehörden, die neuen Instrumente anzuwenden. Das ist nicht immer einfach, z.B. ist es anspruchsvoll, ein Zuschlagskriterium im Bereich der Nachhaltigkeit zu definieren und anzuwenden. Hier scheint es mir wichtig, dass die Behörden und die Anbieter kreativ und innovativ nach neuen Lösungen und Ideen suchen und diese mutig umsetzen. Gleichzeitig sollen Erfahrungen ausgetauscht und Best Practices entwickelt werden. Alles in allem bin ich optimistisch!
Wenn Du auf die lange Entstehungsgeschichte des neuen Rechts zurückschaust, gibt es besondere Momente, die Du hervorheben möchtest?Ich denke an zwei Aspekte: Zum einen war die Zusammenarbeit innerhalb der Branche und unter den Verbänden eine grosse Freude. Bauenschweiz hat hier hervorragende Arbeit geleistet. Toll war auch die Kampagne der Planerverbände mit der Allianz für ein fortschrittliches öffentliches Beschaffungswesen (AföB). Ein grosser Dank an alle Beteiligten! Zum anderen hat es mich unglaublich gefreut, dass der Gesetzgeber die Zuschlagsformel geändert hat und neu vom „vorteilhaftesten Angebot“ spricht. Ich habe in den seinerzeitigen Vernehmlassungseingaben der usic diese Änderung angeregt, ohne je an eine solche Gesetzesänderung geglaubt zu haben. Wir konnten dann die Politik für diesen neuen Begriff begeistern, was wirklich toll ist!
Für wen hast Du das Buch geschrieben?Das Buch richtet sich an alle, die sich im Berufsalltag mit dem öffentlichen Beschaffungswesen auseinandersetzen, also sowohl an Vergabebehörden wie auch an die Anbieter. Das Buch ist aus der Optik der Bauwirtschaft geschrieben und so hoffe ich, dass vor allem die Anbieter aus dieser Branche Interesse daran finden werden. Daneben hoffe ich natürlich auf viele Leser/innen aus der Justiz und aus dem Kreis der Vergaberechtler/innen.
Über den AutorDr. Mario Marti ist Managing Partner des Berner Standortes der Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard. Er ist auf das private Baurecht und das öffentliche Beschaffungsrecht spezialisiert. Er hält in seinen Spezialgebieten regelmässig Referate und wirkt bei Gesetzgebungsprojekten sowie der Erarbeitung von Vertragsgrundlagen mit. Mario Marti ist Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen usic und Geschäftsführer der Stammgruppe Planung von Bauenschweiz.
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