9. Februar 2021Newsletter

Newsletter 1/2021: Vaterschaftsurlaub: Das müssen Arbeitgeber wissen

 

I. Fragen und Antworten

1. Was bezwecken der Vaterschaftsurlaub und die Vaterschaftsentschädigung?

Der Vaterschaftsurlaub bezweckt, die Beziehung des Vaters zum Neugeborenen aufzubauen und zu stärken und den Vater verstärkt in das Familienleben einzubinden. Der Vaterschaftsurlaub ersetzt nicht den Ferienanspruch, weshalb ihn der Arbeitgeber auch nicht zu den Absenzen für eine Ferienkürzung hinzurechnen darf.

Die Vaterschaftsentschädigung ersetzt die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers während des Vaterschaftsurlaubs und ersetzt dem Vater während dieser Zeit den Lohnausfall.

2. Wer hat Anspruch auf bezahlten Vaterschaftsurlaub?

Anspruchsberechtigt für eine Vaterschaftsentschädigung nach Erwerbsersatzgesetz (EOG) ist der Mann, der

  • a) im Zeitpunkt der Geburt des Kindes der rechtliche Vater ist oder dies innerhalb der folgenden sechs Monate wird. Das Kindesverhältnis entsteht durch Eheschliessung mit der Mutter, durch Vaterschaftsanerkennung oder durch ein Gerichtsurteil.
  • b) während der neun Monate vor der Geburt des Kindes im Sinne des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) obligatorisch versichert war. Diese Versicherungsdauer wird entsprechend herabgesetzt, wenn die Geburt des Kindes vor Ablauf des neunten Schwangerschaftsmonats erfolgt.
  • c) in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit (Voll- oder Teilzeit) ausgeübt hat, ausser in den Fällen nach Bst. e (i) bis (iii); und
  • d) im Zeitpunkt der Geburt des Kindes (i) Arbeitnehmer oder Selbständigerwerbender ist, oder (ii) im Betrieb der Ehefrau mitarbeitet und einen Barlohn bezieht; oder
  • e) im Zeitpunkt der Geburt des Kindes (i) arbeitslos ist und Taggeld der Arbeitslosenversicherung bezieht, (ii) Militär- oder Zivildienst leistet oder (iii) infolge Unfall, Krankheit oder Invalidität arbeitsunfähig ist und entsprechende Taggelder einer Sozial- oder Privatversicherung bezieht oder in einem gültigen Arbeitsverhältnis steht, aber den Lohnfortzahlungsanspruch bereits ausgeschöpft hat.

In einem EU- oder EFTA-Mitgliedstaat zurückgelegte Versicherungs- und Beschäftigungszeiten werden berücksichtigt, sind aber mittels Formular E104 des ausländischen Versicherungsträgers zu belegen.

Im Gegensatz zur Taggeldentschädigung nach Erwerbsersatzgesetz entsteht der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub nach Obligationenrecht (OR) bereits dann, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Geburt eines Kindes als dessen rechtlicher Vater gilt oder dies innerhalb der folgenden sechs Monate wird. Ein Vater, der keinen Anspruch auf Taggelder (Vaterschaftsentschädigung) hat, kann somit ebenfalls Vaterschaftsurlaub beziehen und ist nach nicht unumstrittener Auffassung jedenfalls während einem bis zwei Tagen zu entlöhnen, wenn er im Monatslohn angestellt ist.

3. Besteht bei Adoption ebenfalls Anspruch auf Vaterschaftsurlaub?

Nein. Betroffene können allerdings gestützt auf Art. 329 Abs. 3 OR einen bezahlten (umstritten!) Vaterschaftsurlaub von einem bis zwei Tagen geltend machen, wenn sie im Monatslohn angestellt sind. Zudem sehen Einzelarbeitsverträge, Gesamtarbeitsverträge (GAV), allgemeine Anstellungsbedingungen oder das kantonale Recht bisweilen eine Adoptionsentschädigung vor.

4. Wer bestimmt den Bezugszeitpunkt des Vaterschaftsurlaubs?

Formell bestimmt zwar der Arbeitgeber, wann der Vaterschaftsurlaub zu beziehen ist, wobei er die Wünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen muss. Faktisch dürften diese Wünsche des Arbeitnehmers den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers (fast) immer vorgehen, selbst wenn jener sehr kurzfristig die vollen zwei Wochen Vaterschaftsurlaub ab Geburt seines Kindes beziehen will.

5. Kann der Vaterschaftsurlaub auch tageweise bezogen werden?

Ja. Bezieht der Vater seinen Urlaub tage- anstatt wochenweise, werden ihm pro fünf entschädigte Tage zusätzlich zwei Taggelder ausgerichtet.

6. Muss der Vaterschaftsurlaub bezogen werden?

Nein. Beim Anspruch auf Vaterschaftsurlaub handelt es sich um ein Recht und keine Pflicht des Arbeitnehmers. Arbeitnehmer können auf die Ausübung dieses Rechts indes nicht im Voraus vertraglich verzichten. Wird der Vaterschaftsurlaub nicht effektiv bezogen, verfällt er entschädigungslos.

7. Wie hoch ist die Vaterschaftsentschädigung?

Die Vaterschaftsentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet und beträgt 80% des vor der Geburt erzielten durchschnittlichen Erwerbseinkommens, höchstens aber CHF 196.00 pro Tag. Dieser Grenzwert wird bei einem Monatseinkommen von brutto CHF 7'350.00 erreicht. Gutverdiener erleiden daher während des Vaterschaftsurlaubs einen substanziellen Einkommensverlust, sofern ihnen der Arbeitgeber während dieser Zeit keine freiwilligen Ergänzungslohnzahlungen ausrichtet.

8. Wann entsteht der Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung?

Der Anspruch entsteht unabhängig von der Schwangerschaftsdauer, wenn und sobald das Kind lebensfähig geboren wird.

9. Wann endet der Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung?

Der Anspruch endet (i) nach Ablauf der Rahmenfrist von sechs Monaten nach der Geburt, (ii) nach Ausschöpfung der max. 14 Taggelder, (iii) wenn der Vater stirbt, (iv) wenn das Kind stirbt oder (v) wenn die Vaterschaft aberkannt wird.

10. Wie und wem wird die Vaterschaftsentschädigung ausbezahlt?

In der Praxis dürfte meist der Arbeitgeber auf Gesuch des Vaters hin bei der zuständigen Ausgleichskasse einen Antrag auf Vaterschaftsentschädigung stellen, das Taggeld vorschiessen und die Entschädigungsauszahlung an sich verlangen. Dies, weil die Vaterschaftsentschädigung erst nach Ende des Anspruchs (bspw. vollständiger Bezug oder Auslauf der sechsmonatigen Rahmenfrist) einmalig nachschüssig bezahlt wird.

11. Was gilt, wenn der Arbeitgeber schon vor dem 1. Januar 2021 freiwillig einen bezahlten Vaterschaftsurlaub gewährt hat?

Ein vertraglich vereinbarter bezahlter Vaterschaftsurlaub ist nach Inkrafttreten des gesetzlichen Vaterschaftsurlaubes weiterhin vertragsgemäss zu gewähren. Jedoch sind der gesetzliche Vaterschaftsurlaub und die -entschädigung an diese Zeit resp. Zahlung anzurechnen.

12. Was passiert, wenn Leistungen anderer Sozialversicherungen mit der Vaterschaftsentschädigung zusammenfallen?

Bestand bis zum Beginn des Anspruchs auf die Vaterschaftsentschädigung Anspruch auf ein Taggeld der Invalidenversicherung, der Krankenversicherung (KVG), der Unfallversicherung, der Militärversicherung oder der Arbeitslosenversicherung, so entspricht die Vaterschaftsentschädigung mindestens dem bisher bezogenen Taggeld (Besitzstandswahrung). Auf Krankentaggelder einer freiwilligen Taggeldversicherung, die sich auf das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) abstützen, besteht kein Besitzstand.

13. Müssen auf der Vaterschaftsentschädigung Beiträge an die AHV/IV/EO und ALV abgeführt werden?

Ja, auf der Vaterschaftsentschädigung sind die üblichen Sozialversicherungsbeiträge (AHV/IV/EO und ALV) abzuführen.

14. Ist der Arbeitnehmer während des Vaterschaftsurlaubes unfallversichert?

Ja. Auf der Vaterschaftsentschädigung sind allerdings keine Unfallversicherungsprämien zu bezahlen.

15. Ist der Arbeitnehmer während des Vaterschaftsurlaubes in der beruflichen Vorsorge versichert?

Der Versicherungsschutz des Arbeitnehmers in der beruflichen Vorsorge wird während des Vaterschaftsurlaubs auf Basis des bisherigen koordinierten Lohnes (auf dem die Beiträge auch während des Vaterschaftsurlaubs erhoben werden) weitergeführt.

16. Ist der Vater während des Vaterschaftsurlaubes speziell abgesichert?

Der Vaterschaftsurlaub begründet keinen Sperrfristtatbestand. Arbeitnehmern kann damit grundsätzlich auch während des Vaterschaftsurlaubs gekündigt werden.

Die folgenreichste Gesetzesänderung betrifft Art. 335c Abs. 3 OR. Demnach verlängert sich die Kündigungsfrist um allfällige noch nicht bezogene Vaterschaftsurlaubstage (längstens somit um die 14 Tage, wenn noch kein Tag bezogen worden ist) bei ordentlicher Arbeitgeberkündigung nach Ablauf der Probezeit. Dies führt dazu, dass sich das Arbeitsverhältnis bei entsprechendem Anspruch des Vaters auch dann verlängert, wenn dieser erst am letzten Tag der Kündigungsfrist Vater wird. Immerhin verlängert sich das Arbeitsverhältnis bis zum letzten Vaterschaftsurlaubstag und nicht bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin (meist Monatsende), sofern der Arbeitnehmer nicht nachträglich auf eine solche tageweise Erstreckung des Arbeitsverhältnisses verzichtet (umstritten!) resp. seinen Anspruch auf den noch nicht bezogenen Vaterschaftsurlaub gegenüber einem neuen Arbeitgeber geltend macht (s. Frage 18).

17. Was gilt, wenn der Vater während des Vaterschaftsurlaubes erkrankt?

Analog zur Mutterschaftsentschädigung gilt die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a OR auch bei der Vaterschaftsentschädigung als abgegolten. Erkrankt der Arbeitnehmer während des Vaterschaftsurlaubes, lebt die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers somit bis zum Ende des Vaterschaftsurlaubs nicht wieder auf (umstritten!).

18. Kann der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub bei einem Stellenwechsel „portiert" werden?

Ja. Arbeitnehmer können innerhalb der sechsmonatigen Rahmenfrist wählen, ob sie den Vaterschaftsurlaub unter dem alten oder neuen Arbeitsverhältnis beziehen wollen (umstritten!). Der mit der Rahmenfrist angestrebte Zweck der flexiblen Bezugsmöglichkeit und die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Familie stehen einer Verkürzung der Rahmenfrist und des Vaterschaftsurlaubs wegen Stellenwechsels entgegen. Dass das EOG den Stellenwechsel nicht als Beendigungsgrund für den Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung nennt (s. Frage 9) und die Situation eines Entschädigungsanspruches nach EOG und eines gleichzeitig fehlenden Urlaubsanspruchs nach OR strikte vermieden werden sollte, spricht zusätzlich für die „Portabilität" des noch nicht bezogenen gesetzlichen Vaterschaftsurlaubs.

19. Besteht auch für Geburten im zweiten Halbjahr 2020 ein Anspruch auf bezahlten Vaterschaftsurlaub, wenn die sechsmonatige Rahmenfrist am 1. Januar 2021 noch nicht abgelaufen ist?

Eher ja (umstritten!). Der Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung besteht bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Restdauer der sechsmonatigen Rahmenfrist auch dann, wenn die Geburt zwischen dem 2. Juli 2020 und dem Inkrafttreten des gesetzlichen Vaterschaftsurlaubes am 1. Januar 2021 erfolgt ist (Nebenbei: Bei der Mutterschaftsentschädigung war dies in den Übergangsbestimmungen explizit so vorgesehen).

20. Wie wird die Vaterschaftsentschädigung finanziert?

Die Vaterschaftsentschädigung wird von den Arbeitgebern und Arbeitnehmenden über (hälftig getragene) EO-Beiträgen von neu 0.50 Lohnprozenten finanziert.

 

II. Fazit und Empfehlungen

Die Einführung eines bezahlten zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs ist ein positiver Schritt in Richtung partnerschaftliche Kinderbetreuung. Leider sind die fraglichen Regelungen kurzfristig ausgearbeitet worden und dementsprechend vereinzelt unklar. Zu hoffen ist, dass die Gerichte diese Unklarheiten zügig klären werden.

Arbeitgeber sollten zur Vermeidung von Konflikten unbedingt ihre arbeitsrechtliche Vertragsdokumentation prüfen und angemessene Vorkehrungen zur Implementierung der neuen gesetzlichen Regelungen treffen. Insbesondere ist der EO-Beitragssatz in den Lohnabrechnungen anzupassen.

 

Bern/Basel, Februar 2021

Kellerhals Carrard Fachgruppe Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

 

Kellerhals Carrard

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