A. Einleitung
Bereits das Raumplanungsgesetz (RPG) von 1980 hielt die Kantone dazu an, einen angemessenen Ausgleich für erhebliche, planungsbedingte Vor- und Nachteile vorzusehen. Gleichwohl gibt es bis heute Kantone, die dazu keine Bestimmungen im kantonalen Recht vorsehen. Das revidierte RPG schreibt nun zwingend vor, dass die Kantone mit Neueinzonungen verbundene Planungsvorteile mit einer Abgabe von mindestens 20 Prozent auszugleichen haben. Die Kantone dürfen darüber hinaus freiwillig für weitere Planungsvorteile (Umzonungen, Aufzonungen, Ausnahmebewilligungen, Landumlegungen etc.) ebenfalls Mehrwertabgaben erheben. Da die Kantone die Mehrwertabgabe bei Neueinzonungen bis spätestens am 30. April 2019 einzuführen haben, ansonsten sie keine neuen Bauzonen mehr ausscheiden dürfen (Art. 38a Abs. 4 und 5 RPG), passen derzeit etliche Kantone ihre gesetzlichen Grundlagen an oder haben Gesetzgebungsverfahren eingeleitet.
Der vorliegende Newsletter soll einen Überblick über die Mehrwertabgabe nach Art. 5 RPG liefern und auf ausgewählte Besonderheiten bei der Ausgestaltung der Mehrwertabgabe in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Genf, Waadt, Tessin und Zürich hinweisen. Im Anhang des Beitrags werden die Grundzüge der Mehrwertabgabe in den genannten Kantonen noch tabellarisch dargestellt.
B. Mehrwertabgabepflichtige Tatbestände und Ausnahmen von der Abgabepflicht
Die Kantone sind gemäss Art. 5 Abs. 1bis ff. RPG verpflichtet, mindestens die Mehrwerte bei neu und dauerhaft einer Bauzone zugewiesenem Boden auszugleichen. Die Kantone haben die Mehrwertabgabe somit mindestens in jenen Fällen zu erheben, in denen bisher nicht in der Bauzone gelegene Grundstücke (z. B. Grundstücke in der Landwirtschafts-, in Übergangs- oder in sonstigen Nichtbauzonen) durch planerische Massnahmen neu und dauerhaft der Bauzone zugeordnet werden (sog. «Neueinzonungen»). Da das Bundesrecht lediglich Mindestbestimmungen aufstellt, können die Kantone freiwillig auch Mehrwerte aus anderen planerischen Massnahmen (Umzonungen, Aufzonungen, Ausnahmebewilligungen, Landumlegungen etc.) der Mehrwertabgabe unterstellen. Einzelne Kantone machen von dieser Möglichkeit Gebrauch (vgl. dazu Tabelle im Anhang).
Gemäss Art. 5 Abs. 1quinquies RPG kann das kantonale Recht von der Erhebung der Abgabe absehen, wenn ein Gemeinwesen abgabepflichtig wäre oder der voraussichtliche Abgabeertrag in einem ungünstigen Verhältnis zum Erhebungsaufwand steht. Will ein Kanton diesen gesetzlichen Spielraum ausschöpfen, muss er die Ausnahmen im kantonalen Recht ausdrücklich vorsehen; bei Fehlen von Ausnahmebestimmungen im kantonalen Recht ist die Mehrwertabgabe nämlich auch in diesen Fällen geschuldet.
C. Abgabepflichtige Personen
Das RPG definiert nicht, wer Schuldner der Mehrwertabgabe ist. Regelungsbedarf besteht aber insbesondere dann, wenn zwischen den Zeitpunkten der planerischen Massnahme und der Erhebung der Mehrwertabgabe das Grundstück veräussert wird oder aus anderen Gründen eine Handänderung stattfindet. Die kantonalen Regelungen sind diesbezüglich unterschiedlich. Während beispielsweise in den Kantonen Aargau, Bern, Genf, Tessin, Waadt und voraussichtlich Zürich der Grundeigentümer im Zeitpunkt der Rechtskraft der planerischen Massnahme die Abgabe schuldet, sind im Kanton Basel-Landschaft die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Grundstückveräusserung resp. der Baubewilligungserteilung massgebend. Besondere Fragen können sich auch im Zusammenhang mit Grundstücken stellen, die mit einem Baurecht belastet sind. Es stellt sich die Frage, ob der Baurechtsgeber oder der Baurechtsnehmer als abgabepflichtige Person gilt. Bei der Redaktion von Baurechtsverträgen sind deshalb unter Umständen entsprechende Regelungen und Mechanismen vorzusehen.
D. Bemessungsgrundlage und Abgabehöhe
Die Bemessung der Mehrwertabgabe geht vom durch die planerische Massnahme (Neueinzonung, Umzonung, Aufzonung etc.) geschaffenen Mehrwert bzw. dem Planungsvorteil aus. Der Mehrwert bzw. Planungsvorteil liegt grundsätzlich in der Differenz der Verkehrswerte des Bodens (Landwert) ohne und mit Planungsmassnahme. Zur Bestimmung des Bodenwerts werden Vergleichspreise oder statistisch erhobene Preise beigezogen.
Bei landwirtschaftlichen Grundstücken ist die gemäss vorherigem Absatz ermittelte Bemessungsgrundlage von Bundesrechts wegen (Art. 5 Abs. 1quater RPG) um den Betrag zu kürzen, welcher innert angemessener Frist zur Beschaffung einer landwirtschaftlichen Ersatzbaute zur Selbstbewirtschaftung verwendet wird.
Teilweise sehen die Kantone unterschiedlich hohe Freigrenzen vor, bis zu deren Höhe die Mehrwertabgabe nicht erhoben wird. Wird die Freigrenze überschritten, ist allerdings der ganze Betrag abgabepflichtig. Bis zu welchem Betrag solche Freigrenzen noch mit der Vorgabe des RPG und dem Rechtsgleichheitsgrundsatz vereinbar sind, wird vom Bundesgericht zu klären sein (vgl. BGE 143 II 568, wonach ein ausgenommener Betrag von CHF 100'000 bundesrechtswidrig ist).
Auch noch nicht geklärt ist, ob Gestehungs-, Bereitstellungs- und andere notwendige Kosten (wie bspw. Erschliessungskosten, Kosten für ausstehende Planungen oder Sanierungskosten) ebenfalls zum Abzug zuzulassen sind. In den Kantonen Waadt und Tessin sind gewisse Abzüge (vgl. Tabelle im Anhang) gesetzlich ausdrücklich vorgesehen.
Der Abgabesatz beträgt bei Neueinzonungen kraft Bundesrechts zwingend mindestens 20 Prozent; die Kantone sind aber frei, einen höheren Abgabesatz vorzusehen. Geht der Mehrwert auf eine andere planerische Massnahme (Umzonung, Aufzonung, Ausnahmebewilligung, Landumlegung etc.) zurück, so sind die Kantone bei der Festsetzung der Abgabehöhe hingegen grundsätzlich frei.
E. Veranlagungsverfahren
Der Erhebung der Mehrwertabgabe geht eine planerische Massnahme voraus. Diese planerische Massnahme erfolgt durch Erstellung und Genehmigung eines Nutzungsplans. Die Mehrwertabgabe wird mittels Festsetzungsverfügung oder mittels Vertrag festgesetzt. Vor Erlass einer Festsetzungsverfügung sind die Abgabepflichtigen anzuhören. Eine vertragliche Lösung setzt das Einverständnis beider Vertragsparteien, also des abgabepflichtigen Grundeigentümers und des Gemeinwesens, voraus. Schliesslich wird die Mehrwertabgabe in Rechnung gestellt.
F. Fälligkeit der Mehrwertabgabe
Die Mehrwertabgabe wird nicht bereits im Zeitpunkt der Planungsmassnahme, sondern erst bei Überbauung des Grundstücks oder dessen Veräusserung fällig (Art. 5 Abs. 1bis RPG). Die Begriffe der «Überbauung» und «Veräusserung» sind im Bundesrecht jedoch nicht näher bestimmt. In den Kantonen sind daher unterschiedliche Regelungen vorgesehen. Im Kanton AG beispielsweise gelten auch Schenkungen und Erbteilungen als Veräusserungen und führen deshalb zur Erhebung der Mehrwertabgabe, während in den Kantonen Basel-Landschaft, Genf und Waadt und voraussichtlich auch Zürich in diesen Fällen keine Mehrwertabgabe anfällt. Ebenfalls kantonal uneinheitlich geregelt ist der Begriff der Überbauung. Während in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Genf auf die Baubewilligung abgestellt wird, ist im Kanton Bern der Baubeginn und soll im Kanton Zürich die Baufreigabe massgebend sein.
G. Sicherungsmöglichkeiten
Zahlreiche kantonale Gesetze (u. a. Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Genf, Waadt, Tessin und voraussichtlich Zürich) sehen zur Sicherung der Bezahlung der Mehrwertabgabe ein gesetzliches Pfandrecht am Grundstück vor. Bei Nichtbezahlung der Mehrwertabgabe kann daher das Gemeinwesen das Grundstück verwerten lassen und sich aus dem Erlös befriedigen. Zudem sehen zahlreiche kantonale Gesetze solidarische Haftungen von Rechtsnachfolgern und/oder Mit- bzw. Gesamteigentümern vor. Beim Erwerb eines Grundstücks ist daher stets zu prüfen, ob bezüglich diesem noch eine Mehrwertabgabe offen ist. Falls die Mehrwertabgabe noch offen ist, empfiehlt sich, im Kaufvertrag vorzusehen, dass der Käufer die noch nicht bezahlte Mehrwertabgabe in Anrechnung an den Kaufpreis direkt dem Gemeinwesen bezahlt oder der Verkäufer entsprechend Sicherheit leistet.
H. Verhältnis zur Grundstückgewinnsteuer
Nach Art. 5 Abs. 1sexies RPG müssen die Kantone die bezahlte Mehrwertabgabe bei der Bemessung einer allfälligen späteren Grundstückgewinnsteuer als Teil der Aufwendungen vom Gewinn zum Abzug zulassen. Die Kantone haben die Mehrwertabgabe somit kraft Bundesrechts bei der Grundstückgewinnsteuer als Anlagekosten zum Abzug zuzulassen. Da mit der Grundstückgewinnsteuer der bereits mit der Mehrwertabgabe erfasste Mehrwert nochmals erfasst wird und nur die Mehrwertabgabe als solche und nicht der durch die Mehrwertabgabe erfasste Mehrwert bei der Bemessung der Grundstückgewinnsteuer in Abzug gebracht werden kann, wird ein Teil des Mehrwerts sowohl mit der Mehrwertabgabe als auch mit der Grundstückgewinnsteuer erfasst. Diese Doppelbelastung ist stossend und sollte vom Gesetzgeber korrigiert werden.
I. Rechtsmittel
Der betroffene Abgabeschuldner kann eine unrichtige Verfügung (z.B. Verletzung von Bundesrecht, falsche Schätzungen des Planungsvorteils, Nichtgewährung eines Abzugs) mit einem Rechtsmittel anfechten. Dabei ist zu beachten, dass in gewissen Kantonen (z.B. im Kanton Basel-Landschaft und vgl. auch Kanton Wallis) der Mehrwert und die Mehrwertabgabe in verschiedenen Verfügungen und zu verschiedenen Zeitpunkten festgesetzt werden und daher separat anzufechten sind