16. janvier 2023Newsletter

Newsletter 1/2023 ESG im Finanzsektor

Environment, Social and Governance (ESG): Ein Thema, welches die Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft momentan stark beschäftigt. Dies ist der Grund dafür, dass international und national vermehrt neue (Rechts-)Normen zum Thema ESG erlassen werden. Nachfolgend werden daher einige ausgewählte, aktuelle rechtliche Aspekte zum Thema ESG in Bezug auf die Europäische Union (EU) und die Schweiz beleuchtet.

I. Regulatorische Rahmenbedingungen in der EU

Die EU ist in Bezug auf die Regelung von ESG führend und hat diesbezüglich eine gewisse Vorreiterrolle. Die EU-Regulierung für ESG gilt grundsätzlich für alle im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ansässigen Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Doch unter gewissen Konstellationen können auch Schweizer Finanzinstitute in den Anwendungsbereich der EU-Regulierung fallen. Dies ist typischerweise dann der Fall, wenn z.B. kollektive Kapitalanlagen von Schweizer Instituten in der EU errichtet werden und diese somit nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates (oft z.B. Luxemburg oder Irland) organisiert sind. In anderen Konstellationen hängt die direkte Anwendbarkeit der EU-Regulierung für Schweizer Finanzinstitute von Anknüpfungspunkten wie der Verwaltung von europäischen kollektiven Kapitalanlagen oder dem aktiven Vertrieb von Finanzprodukten in der EU ab. Dies sollte jeweils im Einzelfall geprüft werden.

Um auch die Finanzmärkte im Kampf gegen den Klimawandel einzubinden und die Herausforderungen der Nachhaltigkeit bewältigen zu können, wurden in der EU verschiedene Regulierungen eingeführt:

a) EU-Taxonomie-Verordnung

Dabei handelt es sich um ein Klassifizierungssystem, welches bestimmt, welche Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig gelten sollen.

b) Offenlegungsverordnung (SFDR)

Diese bezweckt eine verbesserte Transparenz in Bezug auf ESG-Informationen auf Instituts- und Produktebene von Finanzmarktteilnehmern und Finanzberatern gegenüber Endkunden.

c) EU-Referenzwerte-Verordnung

In dieser Verordnung wurden zwei neue Kategorien von Nachhaltigkeitsreferenzwerten eingeführt (EU Paris-aligned Benchmark und EU Climate Transition Benchmark). Finanzprodukte können sich an diesen Referenzwerten ausrichten, um mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Übereinstimmung gebracht zu werden.

Die bisher in der EU geltende Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für grosse Unternehmen (Non-financial Reporting Directive, NFRD) wird zudem durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ersetzt werden. Mit der CSRD werden bestehende Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich erweitert. Die Anwendung der Vorschriften der CSRD wird voraussichtlich in drei Stufen erfolgen und die CSRD ist ab 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen, anwendbar.

 

 

1. SFDR – Technische Regulierungsstandards seit 1. Januar 2023 anwendbar

Die SFDR wird durch weitere Details in sog. technischen Regulierungsstandards (RTS) ergänzt. Die RTS zur SFDR wurden im Amtsblatt der Europäischen Union als Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 veröffentlicht und traten am 14. August 2022 in Kraft. Die RTS sind aber erst seit dem 1. Januar 2023 anzuwenden und legen den konkreten Inhalt, die zu verwendende Methodik und die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen fest.

 

 

2. MiFID II – Integration von Nachhaltigkeitspräferenzen

Seit dem 2. August 2022 müssen zudem bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen der Anlageberatung und Portfolioverwaltung verpflichtend die Nachhaltigkeitspräferenzen (potenzieller) Kunden ermittelt werden.

 

II. Regulatorische Rahmenbedingungen in der Schweiz

Nachhaltigkeit im Finanzbereich gewinnt auch auf nationaler Ebene an Bedeutung. Das ist für den Schweizer Finanzplatz eine grosse Chance. So hat sich der Bundesrat das Ziel gesetzt, die Schweiz zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen zu machen. Die Rahmenbedingungen sollen so gestaltet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes verbessert wird und gleichzeitig der Finanzsektor einen effektiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann.

Als Engagement für die verantwortungsvolle Unternehmensführung hat die Schweiz im Obligationenrecht per 1. Januar 2022 neue nichtfinanzielle Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten für bestimmte Schweizer Unternehmen eingeführt. Im Finanzmarktrecht dagegen liegen bislang keine Bestimmungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit vor – weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungsstufe. Allerdings hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 16. Dezember 2022 seine Haltung zu Greenwashing im Finanzmarkt präzisiert und das weitere Vorgehen zur Vermeidung von Greenwashing im Finanzmarkt festgelegt. Finanzprodukte oder -dienstleistungen sollen nur dann als nachhaltig angeboten werden, wenn sie mit mindestens einem spezifischen Nachhaltigkeitsziel verträglich sind oder dazu beitragen, ein Nachhaltigkeitsziel zu erreichen. Der Bundesrat vertritt weiter den Standpunkt, dass es für das Funktionieren des Marktes ein klares, allgemeines Verständnis braucht, wann ein Finanzprodukt oder eine Finanzdienstleistung als nachhaltig angeboten werden kann. Eine Arbeitsgruppe soll unter der Leitung des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) prüfen, wie der Standpunkt des Bundesrates bezüglich Greenwashing-Prävention effizient umgesetzt werden kann. Das EFD hat dem Bundesrat auf Basis der Arbeiten bis Ende September 2023 konkrete Vorschläge zum weiteren Vorgehen zu unterbreiten. Dabei soll sichergestellt werden, dass der gewählte Lösungsansatz finanzmarktübergreifend gilt, verbindlich und durchsetzbar ist und Kunden ihre Rechte geltend machen können.

 

 

1. Fokus der FINMA auf klimabezogene Finanzrisiken und Anlegerschutz

Im Einklang mit ihren strategischen Zielen und ihrem gesetzlichen Auftrag, einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des Schweizer Finanzplatzes zu leisten, verfolgt die FINMA mittelfristig vier Stossrichtungen:

 

  • Integration von Klimarisiken in die Aufsichtspraxis;
  • Transparenz über Klimarisiken;
  • Bekämpfung von "Greenwashing";
  • Weitere potentielle Nachhaltigkeitsrisiken.

 

Bereits heute existieren im Fondsbereich (nicht nachhaltigkeitsspezifische) Vorgaben zum Schutz vor Verwechslung oder Täuschung, welche für die Prävention und Bekämpfung von Greenwashing von Bedeutung sind. Damit Anleger beurteilen können, ob und wie eine als nachhaltig bezeichnete bzw. angebotene kollektive Kapitalanlage das Nachhaltigkeitsversprechen erfüllt, ist in den Fondsdokumenten die dazu notwendige Transparenz zu schaffen.

Aufgrund der Komplexität der Thematik (z.B. fehlende Begriffsdefinitionen, Klassifizierungen und Messmethoden) stellt dies für die Finanzinstitute eine bedeutende Herausforderung dar.

Zur Erhöhung sowie Vereinheitlichung der Transparenz von kollektiven Kapitalanlagen mit nachhaltiger Anlagepolitik hat die FINMA anfangs Februar 2021 konkrete Vorgaben an die in den Fondsdokumenten aufzunehmenden Informationen definiert. Daher werden bei solchen Produkten zusätzliche Angaben zu den verfolgten Nachhaltigkeitszielen, deren Umsetzung sowie der beabsichtigten Wirkung verlangt.

Sodann hat die FINMA die Aufsichtsmitteilung 05/2021 zur Prävention und Bekämpfung von Greenwashing veröffentlicht. Darin legt die FINMA die Grundzüge ihrer Erwartungen fest und informiert über den aktuellen Stand der Praxis bei der Verwaltung von kollektiven Kapitalanlagen mit Nachhaltigkeitsbezug auf Fonds- und Institutsebene. Weiter weist sie darin Finanzdienstleister, die Finanzprodukte mit Nachhaltigkeitsbezug anbieten, auf die potenziellen Greenwashing-Risiken im Beratungsprozess und am "Point of Sale" hin.

Weiter hat die FINMA die Aufsichtsmitteilung 03/2022 zur Offenlegung über Klimarisiken veröffentlicht. Die FINMA hat die erste Offenlegung zu klimabezogenen Finanzrisiken analysiert, die mit der Jahresberichterstattung der Institute über das Geschäftsjahr 2021 erfolgte. Die Aufsichtsmitteilung hält die wesentlichen Erkenntnisse daraus fest und teilt diese mit allen beaufsichtigten Banken und Versicherungsunternehmen.

 

 

2. Selbstregulierung in der Schweiz als Zwischenlösung?

Die Asset Management Association Switzerland (AMAS) sieht sich in der Verantwortung, die zentrale Rolle der Schweizer Asset Management Industrie im Bereich "Sustainable Finance" weiter zu stärken und Initiativen zu ergreifen, um die Rahmenbedingungen für die Erstellung und die Verwaltung von nachhaltigen Kollektivvermögen laufend zu optimieren.

Die "Selbstregulierung zu Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug" definiert für die AMAS-Mitglieder erstmals verbindliche Vorgaben an die Organisation von Finanzinstituten, die Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug erstellen und verwalten, wie auch zur nachhaltigen Produktgestaltung und -angaben gegenüber Anlegern. Die Selbstregulierung erhöht die Qualität von Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug und stellt die Transparenz durch umfassende Dokumentations- und Reportingpflichten her.

Mit ihrem jeweiligen Bezug auf die Instituts- und die Produkteebene ist die Selbstregulierung der AMAS komplementär zur Selbstregulierung der Nachhaltigkeit in der Kundenberatung, welche die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) eingeführt hat. Diese ist per 1. Januar 2023 in Kraft getreten, wobei für die Anpassung der bankinternen Prozesse verschiedene Übergangsfristen vorgesehen sind.

Mit den "Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung" der SBVg werden verbindliche Vorgaben mit Nachhaltigkeitsbezug für die Anlageberatung und Vermögensverwaltung definiert. Die Themen Nachhaltigkeit respektive ESG und Energieeffizienz werden zum integralen Bestandteil der jeweiligen Beratungsgespräche mit dem Kunden. Die Mitgliedsinstitute der SBVg verpflichten sich, das Thema ESG systematisch in die Aus- und Weiterbildung zu integrieren. Die Selbstregulierung soll sicherstellen, dass alle Berater über ein ausreichendes Verständnis von Nachhaltigkeitsthemen verfügen und dieses in den Beratungsprozess einbringen.

Die bestehenden Selbstregulierungen im Bereich Nachhaltigkeit können in der Schweiz als eine Art Zwischenlösung gesehen werden – zumindest solange in der Schweiz noch keine gesetzlichen Grundlagen zur Regulierung eines nachhaltigen Finanzmarktes vorhanden ist. Angesichts der aktuellen Entwicklungen – insbesondere unter Berücksichtigung der im Dezember 2022 veröffentlichten Mitteilung des Bundesrats bezüglich Greenwashing-Prävention im Finanzsektor – sowie der europäischen Vorreiterrolle in Bezug auf Nachhaltigkeit ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch in der Schweiz die Nachhaltigkeitsgrundsätze im Finanzmarktrecht gesetzlich verankert werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Gewährung eines "Level Playing Field" ist dies sicherlich zu begrüssen. Auch kann dadurch die Glaubwürdigkeit des Finanzplatzes Schweiz insgesamt sichergestellt werden, was wiederum Voraussetzung ist, damit die Schweiz zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen werden kann.

 

III. Fazit 

Das Thema nachhaltige Entwicklung ist auf der Agenda des Finanzsektors angekommen. Sie stellt in all ihren Dimensionen eine bedeutende Herausforderung für den Finanzmarkt dar. Wir empfehlen den Instituten, sich aktiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und den neuen Vorgaben auseinander zu setzen und sicherzustellen, dass diese auf strategischer und operativer Ebene (insbesondere am Point of Sale) umgesetzt und auch in den Produktdokumentationen enthalten sind (z.B. den Fondsdokumenten).

 

Newsletter 2023 ESG im Finanzsektor.pdf

Newsletter 2023 ESG in the Financial Sector.pdf