7. juin 2021Newsletter

Newsletter 2/2021: Ausgewählte rechtliche Aspekte von CSR, ESG und Sustainability

Viele Staaten erlassen vermehrt neue (Rechts-)Normen, um den international beschlossenen Nachhaltigkeitszielen gerecht zu werden. Aber auch bestehende rechtliche Regelungen können oder müssen dazu genutzt werden, diese Erwartungen umzusetzen. Schliesslich können die internationalen Nachhaltigkeitsstandards durch Einbeziehung in die Regeln einer guten Corporate Governance rechtliche Verbindlichkeit erlangen.

Vor diesem Hintergrund stellen sich zunehmend unzählige rechtliche Fragen, wobei sämtliche Rechtsbereiche in unterschiedlichen Formen betroffen sind. Zu denken ist namentlich an Fragen des Haftungsrechts (z.B. im Zusammenhang mit der supply chain) und des Gesellschaftsrechts (z.B. corporate governance und Unternehmensorganisation, Berichterstattungspflichten, Verantwortlichkeit, Transaktionsrisiken (Due Diligence)) oder an Fragen im Zusammenhang mit neuen rechtlichen und regulatorischen Vorschriften (z.B. der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative und das CO2-Gesetz) und dem hohen Regulierungsgrad für die Finanzindustrie, auch produkt- und dienstleistungsseitig. Nachfolgend beleuchten wir daher lediglich einige ausgewählte rechtliche Aspekte, mit welchen wir uns aktuell beschäftigen.


1. Gesellschaftsrecht

a) Aufgaben des Verwaltungsrates

Spätestens seit Larry Finks „CEO-Letter" im Jahr 2018, dem Business Roundtable von 2019 in den USA, dem Manifesto des WEF in 2020 und dem zunehmenden Druck seitens der Anleger beschäftigt man sich auch in den Verwaltungsräten mit ESG-Fragen. Es betrifft ihn im Zusammenhang mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, des Risikomanagements, der Festlegung des „Purpose" und des formellen Zwecks (siehe unten), aber auch bezüglich Organisation (Ausschussbildung, Positionierung in der Geschäftsleitung), Entlöhnung (kurz- und langfristige Ziele), der Berichterstattung, dem Rating- und Ranking-Urwald und der Verantwortung. Dabei muss der Verwaltungsrat auch über die wesentlichen Rechts- und Marktentwicklungen im Bild sein, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Dies wird zunehmend auch von institutionellen Aktionären gefordert (wobei sich das Spannungsfeld zwischen Profitabilität und „sozialem" Zweck gerade am Beispiel von Danone und dem erzwungenen, inzwischen vollständigen Rücktritt des Chairman/CEO im März 2021 zeigt).

b) Gesellschaftszweck: Unternehmens- vs. Aktionärs- vs. Stakeholderinteressen

Anders als die meisten Rechtsordnungen äussert sich das schweizerische Aktienrecht in Art. 717 OR klar: An erster Stelle vertritt der Verwaltungsrat die Interessen des Unternehmens; also nicht der Aktionäre und nicht der sog. Stakeholder. Deren Interessen können anerkanntermassen immer dann unter Art. 717 OR gewahrt werden, wenn dies letztlich dem Unternehmensinteresse dient. Wenn dies nicht der Fall ist, dürfen Aktionärs- und Stakeholderinteressen nicht berücksichtigt werden. Bei der Abwägung ist die Business Judgment Rule zu beachten, einschliesslich des sachgerechten Umgangs mit Interessenkonflikten.

Eine schweizerische AG ist grundsätzlich der Gewinnstrebigkeit verpflichtet (sie kann nur einstimmig darauf verzichten, vgl. Art. 706 Abs. 2 Ziff. 4 OR).

Obwohl dies nach der schweizerischen Rechtslehre bereits heute Geltung hat, haben nunmehr erste börsenkotierte Aktiengesellschaften ihren Zweck ergänzt um eine Klarstellung, dass sich ihre Aktivitäten an der langfristig nachhaltigen Generierung von Mehrwert für das Unternehmen ausrichten (z.B. Nestlé, ABB, Alcon, Novartis etc.).

c) Gegenvorschlag Konzernverantwortungsinitiative

Nachdem die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) im November 2020 abgelehnt wurde, traten die Teilaspekte des Gegenvorschlages, nämlich die Transparenz und Sorgfaltspflichten von Rohstoffunternehmen und bezüglich Kinderarbeit per 1. Januar 2021 in Kraft. Für die entsprechende Verordnung läuft bis zum 14. Juli 2021 die Vernehmlassungsfrist. Zwischenzeitlich hat sodann das Bundesgericht die eingereichten Beschwerden gegen die KVI abgewiesen. Weitere rechtliche Schritte seitens der Initianten sind nicht auszuschliessen. Das Inkrafttreten der übrigen Bestimmungen des Gegenvorschlages ist derzeit noch nicht absehbar. Ideal wäre ein Zusammenschluss mit der Inkraftsetzung des neuen Aktienrechts voraussichtlich Anfang 2023.


2. Finanzmarktrecht und FinTech

a) Einleitung

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt auch in der Finanzindustrie weiter an Bedeutung. Bereits am 24. Juni 2020 hat der Bundesrat seine Leitlinien „Sustainable Finance" und einen Bericht zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor Schweiz veröffentlicht. Zudem wurde unter Mithilfe des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen SIF im November 2020 das Green FinTech Network gegründet. Dieses hat am 8. April 2021 Handlungsempfehlungen im Bereich Green FinTech publiziert. Im Folgenden geben die Autoren einen kurzen, stichwortartigen Überblick über die wichtigsten Massnahmen bzw. Handlungsempfehlungen, welche in den nächsten Jahren wichtig werden dürften.

b) Massnahmen zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor

Der Bundesrat schlägt bisher folgende Massnahmen vor:

  • Einführung eines Taxonomie-Systems;
  • Labels für Nachhaltigkeit im Finanzmarkt;
  • Stärkung der Aus- und Weiterbildung im Bereich Nachhaltigkeit bei Finanzinstituten;
  • systematische Offenlegung von vergleichbaren Umwelt- und Klimainformationen für Finanzprodukte;
  • Berücksichtigung von Klima- und Umweltrisiken bei der Kundenberatung;
  • Flexibilisierung von Anlagevorschriften (BVV 2);
  • Transparenzanforderungen an institutionelle Investoren bzgl. umweltverträgliche Anlagen;
  • Stärkung der Rechtssicherheit bzgl. treuhänderische Pflichten bzw. die Berücksichtigung von Klima-/Umweltrisiken und -wirkungen;
  • regelmässige Prüfung der Klimarisiken durch Aufsichtsbehörden unter Einbezug von systemischen Risiken im Finanzmarkt;
  • unterschiedliche Kapitalanforderungen für Finanzinstitute, wenn diese nachweislich höhere klimabezogene Finanzrisiken aufweisen;
  • Ausgabe von Green Bonds und andere Kapitalmarktaktivitäten, insb. auch durch den Staat;
  • Standortpromotion;
  • steuerliche Lenkung im Finanzbereich.

Die konkrete Ausarbeitung dieser Massnahmen ist derzeit noch im Gange.

c) Handlungsempfehlungen im Bereich Green FinTech

Das Green FinTech Network hat folgende Handlungsempfehlungen abgegeben:

  • Errichtung einer internationalen Datenplattform für Nachhaltigkeit;
  • fortlaufende Sicherstellung des Zugangs zu internationalen Daten zur Nachhaltigkeit;
  • Stärkung der Offenlegung bzgl. Nachhaltigkeit von Unternehmen;
  • Unterstützung von neuen Green FinTech Start-ups;
  • Errichtung von dedizierten Green FinTech Tracks bei Akzeleratoren.

Unter dem Strich lassen sich mit „Green FinTech" gleich zwei globale Trends vermarken.


3. Umweltrecht

a) Einleitung

Die Einhaltung von umweltrechtlichen Standards wird immer wichtiger für Unternehmen und könnte in naher Zukunft den Zugang zu den Kapitalmärkten beeinflussen. Mit der Gewährleistung von sauberem Wasser und Sanitäreinrichtungen (UN Sustainable Development Goals, SDG 6), der Sicherstellung von nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern (SDG 12), der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Meere und Meeresressourcen (SDG 14) und dem Schutz der Landökosysteme und der biologischen Vielfalt (SDG 15) betreffen gleich mehrere SDGs die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit. Viele Aspekte dieser Ziele wurden bereits in von der Schweiz ratifizierten internationalen Verträgen und im nationalen Umweltrecht verankert.

In jüngster Zeit ist vor allem der Klimaschutz (SDG 13) ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Verabschiedung des Übereinkommens von Paris am 12. Dezember 2015. Mit dem Übereinkommen verpflichteten sich die Vertragsstaaten, Massnahmen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen zu ergreifen. Erklärtes Ziel ist es, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau deutlich unter 2 Grad Celsius zu halten, wobei eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius angestrebt wird. Die Schweiz hat das Übereinkommen am 6. Oktober 2017 ratifiziert. Als nationales Verminderungsziel hat sie sich die Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 gesetzt.

b) Das revidierte CO2-Gesetz

Mit dem revidierten CO2-Gesetz setzt die Schweiz ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaübereinkommen um. Nachdem dagegen das Referendum ergriffen wurde, stimmt die Schweiz am 13. Juni 2021 über das totalrevidierte Gesetz ab. Nachfolgend wird eine Übersicht der wichtigsten Massnahmen des revidierten CO2-Gesetzes gegeben:

  • Einführung einer Flugticketabgabe in der Höhe von mindestens CHF 30 und höchstens CHF 120 pro Ticket;
  • Weiterführung der CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen mit Erhöhung des Maximalsatzes von CHF 120 auf CHF 210 pro Tonne CO2;
  • Möglichkeit der Befreiung von der CO2-Abgabe für alle Unternehmen; als Gegenleistung muss in Klimamassnahmen im eigenen Betrieb investiert werden;
  • Verschärfung der CO2-Zielwerte für neue Personen- und Lieferwagen ab 2025 sowie Einführung von CO2-Zielwerten für neue Lastwagen ab 2025;
  • Einführung einer Abgabe für Geschäfts- und Privatjets in der Höhe von mindestens CHF 500 und höchstens CHF 3'000 pro Flug;
  • Weiterführung der CO2-Emissionsminderungsmassnahmen im Gebäudebereich mit Einführung von CO2-Grenzwerten für Heizung und Warmwasser ab 2023;
  • Schaffung eines Klimafonds, der insbesondere Massnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen von Gebäuden finanzieren und die Entwicklung von Technologien zur Verminderung von Treibhausgasen fördern soll;
  • Weiterführung der Kompensationspflicht für Importeure von fossilen Treibstoffen, wobei ab 2025 mindestens 20% der Kompensationsmassnahmen in der Schweiz durchgeführt werden müssen.


4. Ausblick

Das Thema Nachhaltigkeit hat in der letzten Zeit international sowie in der Schweiz eine hohe Relevanz gewonnen. Die Schweiz strebt eine Verknüpfung und Nutzung der strategischen Synergien der beiden Hot Topics „Nachhaltigkeit" und „Innovation" an. Die Realwirtschaft und die Finanzinstitute in der Schweiz werden in Zukunft gefordert sein, die zahlreichen vorgeschlagenen und geplanten Entwicklungen in ihren Geschäftsmodellen zu berücksichtigen. Eine rechtzeitige strategische Positionierung, Beobachtung der gesetzlichen und regulatorischen Entwicklungen sowie praktische Umsetzung derselben können jedoch auch zu einem Wettbewerbsvorteil werden.